Wenn die Saat aufgeht...

Ein Rückblick auf sieben ausgewählte Veranstaltungen 2018

[1] Ein Wohnzimmer wird zum literarischen Salon

„Märchen und Malz, Gott erhalt's“ am 7. Juli 2018 in der Alten Malzfabrik in Hildesheim

Alttürkische Nomadenerzählungen, gesammelt von Elsa Sofia von Kamphövener, wurden am 7. Juli 2018 in der alten Malzfabrik wieder lebendig. Gabriele Kulick lud bei Baguette und Wein in ihr Wohnzimmer ein und verwandelte dieses zusammen mit der Künstlerin Ellen Kienhorst in einen literarisch-musikalischen Salon.

 

Die laue Sommerluft flog durch Fenster und Türen ins Zimmer und nahm die BesucherInnen mit auf eine Reise in den Orient. „Mit inbrünstiger Stimme erzählte Ellen Kienhorst von Rosen und Zedernbäumen und untermalte ihre Erzählungen mit persischer Musik“, schrieb die Leine-Deister-Zeitung.

 

Die BesucherInnen kamen zahlreich, alle Plätze waren gefüllt. In familiärer Atmosphäre lauschte das Publikum über zwei Stunden den Märchen und Celloklängen. Ein paar Gäste blieben sogar noch und unterhielten sich bis zur Mitternacht.

„Der Sommerabend war so wundervoll ausgefüllt, mit Musik und Literatur. Ich war ganz beglückt. Eine solche Veranstaltung gibt einem soviel, bringt so überraschende Begegnungen“, so Gabriele Kulick.

 

Früher hatte sie für solche Veranstaltungen keine Zeit, mit sechs Kindern im Haus, als Deutsch-, Kunst und Musiklehrerin. Da das Wohnzimmer aber perfekt für Kultur sei, beschloss die Pensionierte selbst eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen – zusammen mit Rosen&Rüben. Mittlerweile war Gabriele Kulick mehrfach Gastgeberin und möchte auch in Zukunft punktuell weitere Veranstaltungen anbieten, unter dem Titel „Kultur in der Alten Malzfabrik“. Anfragen gibt es schon.

[2] Dort, wo der Pfeffer wächst

Tomatenfest am 19. August 2018 in Everode

Die Taschen voller Tomaten, den Kopf voller Kräuter. Wer am 19. August 2018 das Tomatenfest in Everode besuchte, erfreute nicht nur seinen Gaumen mit frischer Tomatensuppe, hausgemachten Kartoffelpuffern und Bauernhofeis. Die Gäste konnten auch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst – in den Waldgarten Everode. Hier ließen sich Kräuter und unbekanntes, farbenfrohes Gemüse entdecken: Blaugurken und lila Mohrrüben. Und natürlich die Tomaten in ihrer Vielfalt. Eine Kräuterführung brachte den BesucherInnen mit allen Sinnen heimische Pflanzen näher. Regionale Produkte wie Brot, Eier und Honig wurden außerdem an Ständen feilgeboten.

 

Die Sonne strahlte, das Duo „Mango y Papaya“ spielte Soul- und Jazzvariantionen vor der Kulisse der Hügellandschaft. Man kam nicht umhin, hier musste man einfach in Urlaubsstimmung kommen und es sich gut gehen lassen. Neues entdecken, es sich gut gehen lassen, sich ausruhen und plauschen. Als Erinnerung an diesen Tag konnte man die selbst gestaltete Postkarte einer Studentin mitnehmen: 

 

„Liebe Oma! Ich war heute mit Mama und Papa in einem Dorf. Gar nicht weit weg von zuhause. Hier haben die Leute ein Fest für die Tomate gemacht. Ich bin auf der Hüpfburg gehüpft und habe ganz viel komisches Gemüse gesehen. Mini-Tomaten, blaue Gurken und dicke Bohnen. Bienen gab's auch. Das Eis war lecker. Ich hab zwei Kugeln bekommen. Bis bald, dein Tim.“

[3] Es klappert die Mühle...

Sehlder Mühlensonntag am 26. August 2018

Es klappert die Mühle am rauschenden Innerste-Bach seit Jahrhunderten. Am Sehlder Mühlensonntag stand das historische Mühlengelände, das im Privatbesitz der Familie Löw ist, BesucherInnen offen. Für Alt und Jung gab es allerlei Informatives und Unterhaltsames rund um das Thema Wasser – Energie und Naturschutz. Workshops, Wasserspiele, regionale Konzepte für Hochwasserschutz, Natur- und Wassertechnikführungen sowie ein Infomobil zur heimischen Tierwelt und ein Stand der Kinderhilfsorganisation von Plan International schafften einen Blick über den Tellerrand und ein neues Bewusstsein.

 

„Die Mühle, die immer noch in Betrieb ist, könnte im Jahr 300 Haushalte von Sehlde speisen“, erzählt die Initiatorin Heike Spieker. Zusammen mit Heike Brümmer wollte sie Menschen von nah und fern in Sehlde willkommen heißen und dies mit einem aktuellen Thema verbinden. So drehten sich auch alle kulturellen Beiträge rund um Wasser und Natur. Eine musikalische Lesung mit Edmund Rhode setze Gedanken zum Element frei. Die Glasharfinistin Irma Würmele versetzte das Publikum in Staunen, auf Wassergläsern spielte sie sich mit Präzision durch verschiedene Musikstile. Die Wolfenbüttelner Schülerband „Park Avenue“ coverte Songs der Rock- und Popgeschichte: „Smoke on the water..., I'm singin' in the rain...“

 

Kaffee, Kuchen und Speisen versorgten die Gäste. Ein junger Mann, etwa 17 Jahre, der mit seinen Bienen der Tradition des Imkerns nachgeht, bot seinen Honig beim Fest an.

 

„Wir waren sehr erfolgreich, so ein Fest auf einem Privatgrundstück gab es noch nie in Sehlde“, erzählt Heike Spieker. Bei den älteren DorfbewohnerInnen rief der Zugang zum Gelände Erinnerungen wach: „Diesen Ort kennen wir gut, hier haben wir damals, als das noch eine Weizenmühle war, unsere Kornsäcke hingebracht, zum Mahlen.“

[4] Der Himmel über Hildesheim

Der Lichtkunstabend Kontakt.linien am 8. September 2018 in Hildesheim

Der Abend, eine Komposition, langsam anschwellend. Beim interdisziplinären Ausstellungsevent auf dem Gelände der Hildesheimer Braumanufaktor haben Lucy Schreiber und Lito Bürmann Hildesheimer Künstlern eine Bühne bereitet.

Der Drehorgelspieler bereitet den Auftakt, danach performte Henning Reichrath mit Eigensinn die Texte des Hannoveraners Künstlers Kurt Schwitters. Auf frei im Gelände stehenden Fernsehern wurde das Konzert der Hildesheimer Musikerin Birte Wolters virtuell übertragen und das Gelände dabei zum Wohnzimmer. In bester Nachbarschaft frisch gezapftes Bier.

 

Nach Einbruch der Dämmerung versetzten die Installationen der beiden Veranstalter die Gäste in Staunen. Licht und Laser erschafften neue Räume, das Land wurde weit, der Himmel lichtdurchflutet. Lucy Schreiber und Lito Bürmann, vereint im Atelier Licht.n.Stein, wollten mit Licht, Medien, Laser, Objekten und Klängen an den Kontaktlinien von Natur und Technik forschen. Deshalb drängte sich auch die Idee, das brachliegende Nachbargelände mit der Ostendbaustelle einzubeziehen. „Wir wollten am liebsten eine Bagger-Choreographie. Aber am Wochenende arbeitete da niemand. Deshalb fragten wir, ob wir die Bagger inszenieren dürfen, zum Thema künstliche Intelligenz. Und am Freitag kam dann der Baustellenleiter, mit den ganzen Baggern im Schlepptau. Einmal Bagger einweisen, da ging ein Traum in Erfüllung“, berichten Lucy und Lito.

 

Es gab auch Kunst zu essen. 15 Quadratmeter Kresse hatten die Veranstalter drei Tage vor dem Abend ausgesät, in Kresse-Platinen, die sich wie ein grünes Band im Raum verteilten. Berührungslinien von Natur und Technik und Mensch, die man sich auf einem Baguette einverleiben konnte. Dieser Abend schreit nach Wiederholung.

[5] Wasserpoesie

Wo Saale und Leine sich küssen, am 9. September 2018 in Elze 

In der beschaulichen Saalestadt Elze veranstaltetet der Kultur- und Kunstverein „Fundus e.V.“ eine Vernissage. Im Heimatmuseum, das selbst eine Wassermühle ist, wurden zum Auftakt der Ausstellung „O Saale mio“ facettenreiche Fotografien vom Fluss gezeigt. Die Wasserstände, die 2017 zu hoch und 2018 zu niedrig waren, wurde dabei auch porträtiert. Bei hausgemachtem Kuchen und Brezeln führten sich die Gäste das Programm zu Gemüte: Rezitationen über Nixen, Wasser und Wetter, Konzerte, Walkacts und Jonglage. Das Rauschen der Saale umrahmte dabei den Nachmittag. Beim Schlendern durch den Stadtpark kamen einem riesige Seifenblasen entgegen geflogen. Aus einem Wasserbecken konnten sich die BesucherInnen Geschichten angeln und beim Flohmarkt stöbern. Das Kinderschminken verwandelte die kleinen Gäste nach ihren Wünschen. Entlang der Saale luden außerdem das neu gestaltete Schwimmbad und die Rad-Rast-Anlage zum Besuch ein. Und da Saale und Leine sich küssen, gab es auch Führungen entlang der Leine. Eine gelungene Veranstaltung, die nicht nur Flüsse, sondern auch Menschen einander näher brachte.

[6] Der Müller und das Huhn

Braufest des Schwarzen Huhns am 15. und 16. September 2018 in Grasdorf

Was braucht es nicht alles für ein gelungenes Fest? Gutes Programm, leckere Verköstigung, schöne Stimmung und nette Gäste. Die Veranstalter gaben ihr Bestes, um mit Ideenreichtum und Händchen für ein zünftiges Beisammensein ihr 10. Braufest zu begehen. Doch wer hätte gedacht, das sich ausgerechnet das Schwarze Huhn höchstpersönlich durch das Programm schlägt?

 

Am ersten Festtag gab es auf Riechers Hof in Grasdorf, Holle Konzerte bis tief in die Nacht, mit der Göttinger Skiffle Fracktion Bogdan. Das mit Harzwasser gebraute, obergärige, sechsprozentige Bier das „Schwarze Huhn“ und Bier von zwei weiteren Braugruppen wurde ausgeschenkt, dazu sorgte ein zünftiges Brauersteak mit Panade aus geschroteter Gerste für juchzende Gaumen.

 

Die Gäste waren gut aufgelegt und am zweiten Festtag wurde gemeinsam „Das Lied der Bierbrauer vom Schwarzen Huhn“ angestimmt. In Frack und Zylinder proklamierte Hans-Adolf Knopp die Geschichte vom Schwarzen Huhn, das seinen Namen aus der alten Sage „Die Innerste” (1874) von Wilhelm Raabe hat. Demnach verlange die Innerste als Opfer ein Schwarzes Huhn, damit sie den Menschen vor ihren Fluten verschone.

 

Nach einer Rede des Landrates, setzte sich dann eine Prozession in Bewegung, von der Braumanufaktur zur historischen Innerstebrücke. Ein Zug mit 70 Menschen. Allen voran die Brauherren in ihren Brauhemden, mit selbstgebauter Standarte – und dem schwarzen Huhn Agathe in einem geflochtenen Weidenkäfig. „Auf der Brücke angekommen wurde ein großes Maß Bier unter Beäugigung des schwarzen Huhns Agathe persönlich den Fluten übergeben“, so Brauherr Stefan Könneke.

 

Vielleicht spürte das Huhn in diesem Moment das Los seiner Urahnen und bekam Angst um sein Leben. Es entrann seinem Käfig. „Das Huhn ist weg!“, rief es aus der Menge. Und mir nichts, dir nichts, versuchte eine große Meute die entflohene Henne einzufangen. Man kennt dieses Bild aus den Kinderbüchern über das Leben auf dem Lande. Das Huhn rennt, Bäuerin mit fliegender Schürze und Kindern hinterher, ein einziges Geflatter... Agathe jedenfalls schlug sich mir nichts, dir nichts in die Büsche.

 

„So würde das Huhn nie einzufangen sein! Es bedurfte dreier Leute Listigkeit und innere Ruhe, man beruhigte das rasende Herz, schlich sich an, um dann blitzschnell zuzugreifen“, so Stefan Könneke. Nach misslungenen Versuchen gelang zuletzt des Müllers geschickter Hand der Fang. Agathe konnte unversehrt zurück in ihren Käfig und das Fest mit Freibier friedlich und glücklich weitergefeiert werden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann feiern sie noch heute.

[7] Ein Ort blüht auf

Gehrenrode entwickelt sich, am 15. und 16. September 2018 

Rosen&Rüben versteht sich selbst als großes Türenöffnen, als Fest der Gastfreundschaft. Die meisten Türen öffneten sich 2018 in Gehrenrode, denn dort veranstaltete ein ganzes Dorf sich selbst. Am 15. und 16. September zeigte der Ort an der Grenze des Landkreises Hildesheim sein Potenzial – seine Schönheit und die Aktivitäten seiner EinwohnerInnen.

 

„Gehrenrode hat sich im Laufe der Jahre durch die Fortschritte einzelner Betriebe und die wachsende Zusammenarbeit zu einem Dorf gewandelt, in dem die Themen Kunst und Kunsthandwerk in Verbindung mit Gastronomie und Natur nach und nach ein Profil bilden: Gehrenrode blüht auf!“, schrieb die Zeitung der Stadt Bad Gandersheim.

 

Der Rosenhof empfing seine Gäste in ländlicher Idylle, Thomas Schmalz und Barbara Staschek zeigten dort Antiquitäten und Kunsthandwerk. Der ruhige Innenhof, der immer wieder für Kulturveranstaltungen genutzt wird, lud zum Verweilen ein. Beim liebevollen Gedeck mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen konnte man sich stärken, um dann die nächste Schwelle zu übertreten.

 

Hinein ins Atelier von Axel Schöpf, der Restaurator von Fachwerk und Hersteller von Fachwerkfarben, der in seiner Freizeit mit seiner Palette aus Pigmenten auf Leinwand malt und heute am Entstehen eines Werkes seinen BesucherInnen teilhaben lässt.

 

Im Hofladen von Margarete Seiler und Helfried Klünder gab es Eier, Kartoffeln, Wurst, Gelee, Säfte, Äpfel, Birnen, Zwetschgen, frisches Gemüse und Liköre – Produkte, denen man die Natur noch ansehen konnte. Außerdem konnte man einen Blick in die Ferienwohnung werfen.

 

Hinter der nächsten Tür erzählten die Goldschmiedearbeiten und das Schmuckdesign von Heike Probst Geschichten über Liebe, Ehen und Freundschaften. Leckere griechische Spezialitäten gab es bei Familie Potsis in ihrem Restaurant Artemis. Und die letzte Tür öffnete Ingrid Lohmann, die als Ortsvorsteherin nicht nur Privatzimmer anbietet, sondern auch einen Rundgang durch Gehrenrode.